Künstliche Intelligenz senkt Kosten und rettet Leben.
von Frank Zscheile
Künstliche Intelligenz in der Medizin kann helfen, Krankheiten früher zu erkennen, Menschen besser zu versorgen und die Gesundheitsausgaben drastisch zu senken. Dafür braucht es jedoch die Akzeptanz durch die Öffentlichkeit.
Per Smartwatch oder Fitnessarmband die Pulsfrequenz beim Joggen zu messen, ist heute gang und gäbe. Die Daten, die mit sogenannten Wearables erhoben werden, lassen sich gleichzeitig dazu verwenden, Werte bei chronischen Krankheiten zu überwachen. Damit werden die Geräte zum medizinischen Instrument. Ob Diabetesmanagement per Smartphone, Telemedizin oder medizinische Datenbanken im Pharmaunternehmen – das Thema Digital Health durchdringt inzwischen alle Bereiche, im Gesundheitsbereich ebenso wie in der Pflege und im häuslichen Umfeld.
Durch die zunehmende Digitalisierung werden Ärzte mit einer Datenflut konfrontiert, die sich nur noch mit technischen Hilfsmitteln effizient sichten und analysieren lässt.
Durch die zunehmende Digitalisierung werden Ärzte mit einer Datenflut konfrontiert, die sich nur noch mit technischen Hilfsmitteln effizient sichten und analysieren lässt. Künstliche Intelligenz ermöglicht hier eine Entscheidungsfindung auf der Basis großer Datenmengen. Der Einsatz von KI-Systemen im Gesundheitswesen ist vielfältig:
Im Krankenhausmanagement helfen sie, die Auslastung besser zu steuern, Telepräsenzroboter stellen Ferndiagnosen, überwachen Körperfunktionen oder die Medikamenteneinnahme. Große Bestände von Krankenakten, medizinischen Berichten, DNA-Analysen und Bildern lassen sich mit Enterprise-Search-Lösungen durchsuchen und automatisch interpretieren, wie es etwa der Pharmahersteller AstraZeneca mit einer Software des Herstellers Sinequa tut.
„Sherlock in Health“
„Künstliche Intelligenz wird die Medizin revolutionieren. Bislang standen wir immer vor einem Zielkonflikt: entweder die Versorgungsqualität zu verbessern oder die Kosten für die Versicherten zu senken“, erklärt Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC. KI mache beides zugleich möglich. Davon würden Patienten enorm profitieren. Schon im Juni 2017 hat PwC in einer Studie mit dem bezeichnenden Titel „Sherlock in Health“ aufgedeckt, wie KI dazu beitragen kann, Krankheiten früher zu erkennen, Menschen besser zu versorgen und die Gesundheitsausgaben allein in Europa in den kommenden zehn Jahren um einen dreistelligen Milliardenbetrag zu senken.
„Mit Verfahren, die sich der KI bedienen, lassen sich zum Beispiel unnötige Eingriffe vermeiden und teure Medikamente dort einsetzen, wo sie die höchste Wirkung erzielen bzw. überhaupt wirken“, erklärt auch Kai Brüning. Er ist Senior Portfolio Manager bei der apoBank-Fondstochter apo Asset Management, welche die digitale Entwicklung der Gesundheitsbranche intensiv begleitet und fördert.
Milliarden durch Früherkennung einsparen
Besonders die Früherkennung lässt sich durch Analyse von Daten verbessern. Hier hat PwC drei weit verbreitete Krankheitsbilder identifiziert, die hohe Kosten verursachen: Adipositas bei Kindern, Demenz und Brustkrebs. Bereits aus den Gesundheitsdaten von Zweijährigen lässt sich ablesen, wie hoch deren Risiko für Fettleibigkeit ist. Steuert man rechtzeitig dagegen, ließen sich laut PwC rund 90 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren einsparen. Künstliche Intelligenz ermöglicht auch die Früherkennung von Demenz mit einer Genauigkeit von 82 bis 90 Prozent, wodurch rund acht Milliarden Euro an Behandlungskosten wegfielen. Und bei der Diagnose und Behandlung von Brustkrebs ermöglicht KI nicht nur die Früherkennung, sondern auch eine passgenaue Therapie. Sie kann etwa vorhersagen, wie ein Patient voraussichtlich auf die Chemotherapie reagieren wird. Das Einsparpotenzial in diesem Bereich wird auf 74 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre geschätzt.
Für die Verbreitung von KI ist das Vertrauen der Öffentlichkeit ein wichtiger Faktor.
Vor kurzem wurde das erste KI-System zur Früherkennung von Darmkrebs in Deutschland im Markt eingeführt und wird bereits in der klinischen Versorgung eingesetzt. Bilder aus dem Inneren des Darms werden während der Untersuchung in hundertfacher Vergrößerung an einen Computer geschickt, wo eine lernfähige Software nach verdächtigen Wucherungen sucht. KI-Systeme für die Erkennung anderer Krebsarten werden derzeit noch in Studien getestet.
Patienten müssen KI vertrauen
Für die Verbreitung von KI ist das Vertrauen der Öffentlichkeit ein wichtiger Faktor. Diese ist hier jedoch zweigespalten, wie die Ärztezeitung berichtet. Demnach kann sich eine Mehrheit mit dem Gedanken anfreunden, dass Roboter künftig administrative Aufgaben wie das Führen von Patientenakten oder die Dokumentation von Leistungen im Gesundheitswesen übernehmen. Der Einsatz in der direkten Patientenversorgung wird jedoch kritischer gesehen, so das Ergebnis einer repräsentativen Studie „Digitales Gesundheitssystem 2019“ der Betriebskrankenkasse pronova BKK.
In der bildgebenden Diagnostik sieht neben der Medikamentenentwicklung auch apoAsset-Manager Kai Brüning kurzfristig den größten Mehrwert von KI in der Medizin. Softwareanwendungen unterstützen den Arzt bei der Analyse von CT- oder MRT-Aufnahmen und helfen in der Medikamentenentwicklung dabei, Probandengruppen für klinische Studien optimal auszuwählen und von Beginn an ein neues Medikament nur an den Patienten zu testen, bei denen die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit besteht. //