Deutschland im internationalen Vergleich
von Bernhard Haselbauer
Um positiv zu starten, wir sind in Deutschland Pioniere, wenn es um das Thema KI geht. „Es ist wichtig für unseren Fortschritt, dass es immer wieder Menschen gibt, die das scheinbar Unmögliche verfolgen“, sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek 2018 zum 30-jährigen Jubiläum des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz.
In ihrer Rede betonte sie: „Wie visionär die Pioniere des DFKI waren, wird klar, wenn man den Blick zurück ins Gründungsjahr wirft. 1988 war künstliche Intelligenz noch eine Nischendisziplin. Sehr sehenswerte Science-Fiction-Filme wurden von KI inspiriert, aber auf den gelebten Alltag hatte sie kaum Einfluss. Auf Autofahrten suchte man noch mit Faltkarten nach dem richtigen Weg. Zur Rechtschreibkorrektur befragte man den Duden. Übersetzungsprogramme lieferten oft sehr lustige Ergebnisse. Das Internet gab es zwar schon – das World Wide Web folgte aber erst später.“
Seitdem hat sich viel getan, aber Deutschland hat es bisher noch nicht geschafft, das Wissen um die neuen Technologien in die Unternehmen zu bringen. „In unserer Forschung zu Industrie 4.0, beim autonomen Fahren oder auch im Bereich der Entwicklung von lernenden Systemen für lebensfeindliche Umgebungen nehmen wir bereits einen Spitzenplatz ein“, entgegnet Professor Holger Hanselka, Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). „Das Wissen, das wir aktuell haben, müssen wir in den Markt bringen, sodass es der Gesellschaft und Wirtschaft nutzt.“ Zu diesem Zweck will die Regierung zum Beispiel ein Dual-Career-Modell etablieren, welches Forschern einen leichteren Wechsel zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ermöglicht, und mit konkreten Maßnahmen die Zahl an Gründungen im Bereich KI erhöhen.
Aber wie sieht es mit den Investitionen unseres Staates wirklich aus? Sicher ist, dass Deutschland mit seinen Investitionen in KI hinter China und den USA zurückbleibt. Allein der Internetkonzern Alibaba hat just bekannt gegeben, 15 Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung neuer Technologien in den Sparten künstliche Intelligenz und Quantencomputer zu investieren.
Mit dem Bundeshaushalt 2019 stellt der Bund in einem ersten Schritt insgesamt 500 Mio. Euro zur Verstärkung der KI-Strategie für 2019 und die Folgejahre zur Verfügung. Bis einschließlich 2025 will der Bund insgesamt etwa 3 Mrd. Euro für die Umsetzung der Strategie zur Verfügung stellen. Die Hebelwirkung dieses Engagements auf Wirtschaft, Wissenschaft und Länder soll mindestens zur Verdoppelung dieser Mittel führen.
Mit der 80-seitigen „Strategie Künstliche Intelligenz“, die von der Bundesregierung Ende 2018 verabschiedet wurde, will sie Deutschland zu „einem weltweit führenden Standort für KI“ und „KI made in Germany“ zu einem Gütesiegel machen. Die Erwartung, sich dabei auch mit den Supermächten China und USA messen zu können, scheint angesichts von einem Förderbetrag von lediglich drei Milliarden Euro bis 2025 allerdings doch zu hoch gegriffen.
Insbesondere Berlin hat sich zur Start-up-Hauptstadt der künstlichen Intelligenz gemausert und zieht die größten Kapitalgeber des Kontinents an. „Rund 100 Berliner Professorinnen und Professoren befassen sich schon heute mit KI. Laufend kommen neue digitale Talente nach Berlin, etwa mit der Ansiedlung des Deutschen Internet-Instituts und dem Millionenprojekt Siemensstadt 2.0. Die Stadt ist jung, kreativ und bietet stabile Netzwerke für Know-how und Unterstützung.
Wie wichtig es ist, die Start-up-Förderung hierzulande anzuschieben, belegt eine Untersuchung der Initiative „appliedAI“ an der UnternehmerTUM GmbH. Immerhin konnten im April 2018 schon 214 KI-Start-ups identifiziert werden. Doch während das chinesische Start-up Sensetime allein seit 2017 2,1 Milliarden Dollar von chinesischen Risikokapitalgebern und Konzernen wie Alibaba oder Qualcomm erhalten hat, konnten alle deutschen KI-Start-ups zusammen in den letzten zehn Jahren lediglich 1,2 Milliarden Euro einwerben. Höchste Zeit also, hier die Rahmenbedingungen für junge Unternehmen zu verbessern.
Neben der Start-up-Förderung soll insbesondere der deutsche Mittelstand von der „Strategie Künstliche Intelligenz“ profitieren. Dazu sollen mindestens 20 „KI-Trainer“ kleine und mittelständische Firmen bei der Implementierung begleiten und beraten. Handlungsbedarf besteht hier allemal.
Nach aktuellen Zahlen haben die USA rund 1 393 Start-ups im Kontext neuer KI-Technologien am Start. China liegt bei ca. 383 Start-ups und in Deutschland sind es ca. 275 Start-ups, die sich um neue KI-Geschäftsmodelle verdient machen.
Eine Auswertung des Deutschen Patent- und Markenamts belegt dabei die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten. Demnach wurden 2018 in Deutschland beim Deutschen und beim Europäischen Patentamt doppelt so viele KI-Patente angemeldet wie von einheimischen Firmen. China liegt dabei noch hinter Deutschland und Japan zwar nur auf Rang vier, allerdings wird auch nur ein kleiner Teil der chinesischen Patente überhaupt im Ausland angemeldet. Dafür sitzen in der Volksrepublik 17 der 20 besten Universitäten der Welt, die sich mit KI beschäftigen. Bis 2030, so das erklärte Regierungsziel Pekings, will das Land die Führungsposition in der KI-Forschung einnehmen und eine staatlich geförderte 150-Milliarden-Dollar-Industrie schaffen.
Bei weltweit grob geschätzten rund 5 000 KI-Firmen liegt China damit hinter den USA (rund 2 000 KI-Firmen), aber mit deutlichem Abstand vor dem Vereinigten Königreich und Deutschland.
Der Blick in die Zukunft ist recht einfach, wenn man weiß, dass KI von und mit Daten lebt. Der Datenschutz bremst uns zu Recht einfach aus. Damit hat China in Zukunft die besten Chancen als globaler Gewinner aus dem Rennen hervorzugehen. Wenn sich in diesem Kontext chinesische Investoren, Unternehmer und staatliche Stellen gemeinsam auf die KI-Branche fokussieren, sollten wir gewappnet sein. Die Gefahr, dass Datenmonopole entstehen, muss die Politik verhindern. Politiker sind gefragt, um den regulatorischen Rahmen zu schaffen und den Spagat zwischen Innovationen durch KI und Regulierung zu meistern. //