Handel mit Zukunft

Voice Commerce und schlaue Algorithmen verändern die Spielregeln.

von Bernhard Haselbauer und Andreas Fuhrich

Die Entwicklung von Cortana, Siri, Alexa und Co. schreitet immer weiter voran. Watson belegte sein Verständnis auch von Doppeldeutigkeiten mit einem Sieg in der Gameshow Jeopardy! bereits 2011. Duplex – eine von Google auf der Entwicklerkonferenz 2018 vorgestellte KI – trifft Terminabsprachen mit Restaurants oder Friseursalons, ohne an der anderen Leitung noch als Maschine wahrgenommen zu werden. Um natürlich zu wirken, baut sie auch Denkpausen, Ungenauigkeiten und Füllwörter wie „aha“ und „hmm“ ins Gespräch ein.

Der Fortschritt, den das „Natural Language Processing“, also jenes KI-Teilgebiet, welches sich speziell mit der menschlichen Sprache befasst, in den letzten Jahren erlebt hat, beeinflusst auch den Commerce. Auch wenn wirkliche Dialoge noch nicht zustande kommen, entsteht durch die Kommunikation mit den digitalen Assistenten ein neuer Touchpoint, der seinen eigenen Regeln folgt.

Auf einer grundlegenden Ebene macht die KI auch bei der Sprachsuche das Gleiche wie bei jeder getippten Suchanfrage zuvor. Sie versucht, ihren Kunden, den Suchenden, zu verstehen, und zwar nicht nur auf einer rein semantischen Ebene. Sie versucht zu erfassen, was über die reine Wortbedeutung hinausgeht, und will dabei nicht weniger, als das wirkliche Kundenbedürfnis befriedigen. Hierzu setzt sie ihre Crawler ein, analysiert Content und Popularität eines schier unermesslichen HTML-Indexes und greift auf den eigenen Erfahrungsschatz aus Myriaden zuvor generierter Suchanfragen zurück.

Marken, die das Potenzial von Voice Commerce heben wollen, müssen sich fest im Mindset der Kunden verankern, denn nur wenn der Markenname bei der Kaufanfrage genannt wird, bestimmt der Kunde und nicht die KI, welches konkrete Produkt erworben wird.

Experten und Tools haben es sich weltweit zum Ziel gemacht, die im Verborgenen operierenden Algorithmen bestmöglich zu manipulieren und damit ihren Kunden bei den richtigen Keywords ein gutes Ranking zu beschaffen – sei es bei Google oder auf marktdominanten Shopping-Portalen wie Amazon und Ebay.

Nun stehen sie vor der Aufgabe, diese Leistung auf die gesprochenen Ergebnisse zu übertragen. War vorher eine Platzierung auf Seite eins der Ergebnisse schon ein gutes Resultat, versinkt es nun in der Bedeutungslosigkeit. Der Anwender und Konsument bekommt nun keine Liste mehr vorgeschlagen, die er im Zweifel auch noch durchblättern kann. Der digitale Assistent liefert in der Regel genau ein Ergebnis oder genau ein Produkt in den Warenkorb.

Laut einer Studie von Comscore sollen bereits nächstes Jahr circa die Hälfte aller Suchanfragen per Voice übermittelt werden und eine weitere Studie der Dualen Hochschule Baden-Württemberg sieht Shopping als Verwendungszweck für digitale Sprachassistenten weit vorne. Durch Conversational Commerce etabliert sich so neben den klassischen, visuellen Interfaces ein neues, mit dem Konsumenten interagieren. Die Voraussetzungen dafür sind im Prinzip schon gegeben, denn jedes handelsübliche Smartphone verfügt bereits über die erforderliche Technik und Software.

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Im Conversational Commerce schlummert also ein großes Potenzial. Marken, die dieses Potenzial heben wollen, müssen sich fest im Mindset der Kunden verankern, denn nur wenn der Markenname bei der Kaufanfrage genannt wird, bestimmt der Kunde und nicht die KI, welches konkrete Produkt erworben wird. Nur so kann die KI wirklich verstehen, dass der Kunde genau dieses Produkt verlangt.

Gerade bei der technikaffinen Generation der Millennials, die neue digitale Möglichkeiten mit Begeisterung annimmt, entsteht dann in der sprachlichen Interaktion mit der KI ein befriedigendes Shopping-Erlebnis. Der Handel ist nun gefordert, sich auf das Thema Voice Commerce einzustellen und mit neuen Strategien zu punkten.

Wer auch immer zur Kaufentscheidung beiträgt, rückt in den Fokus des Marketings – sei es der Mensch, sei es die Suchmaschine oder eben künftig der digitale Assistent. Ein Vorteil für Marken kann es sein, wenn bereits die gesprochene Anfrage des Konsumenten den Markennamen beinhaltet.

Es ist ein Unterschied, ob Alexa, Google Home oder Siri als Shop für zum Beispiel „Zahnpasta“ agieren oder nur als Kasse, bei der ein Konsument die Markenentscheidung für z.B. „blend-a-med Zahnpasta“ bereits getroffen hat. Gerade bei wiederkehrenden Käufen, die am wahrscheinlichsten über Voice getätigt werden, kennt der Konsument bereits die Marke und die Qualität des Produkts. //