Die Quantenmechanik bietet neue Möglichkeiten für Algorithmen.
von Georg Gesek
Die Computer in unserem Alltag sind sogenannte Turing-Maschinen, benannt nach dem englischen Mathematiker und Computerpionier Alan Mathison Turing. Diese Rechenmaschinen zeichnen sich dadurch aus, Zahlen, welche in unseren heutigen Systemen binär dargestellt werden, als Befehle für die Manipulation von Daten, welche wiederum andere Zahlen darstellen, zu verstehen.
Damit gelingt es heute, sehr leistungsfähige Computer zu bauen, die mittels eines Programm-Codes binäre, also aus bloß 2 Zeichen, z. B. 0 und 1, zusammengesetzte Daten sehr schnell manipulieren können. Diese Manipulationen nennen wir logische Verknüpfungen oder auch Gatter, wenn wir vom physikalischen Aufbau dieser Recheneinheiten sprechen.
Ein sehr oft eingesetztes Beispiel ist das NAND-Gatter, welches aus zwei Eingangszuständen einen Ausgangszustand erzeugt. Nachdem es sich dabei um binäre Zustände, sogenannte Bits (Kunstwort aus „binary digit“) handelt, ergibt sich ein Eingangsmuster mit 4 Möglichkeiten (0/0; 0/1; 1/0; 1/1), wogegen der Ausgang bloß 2 mögliche Zustände (also entweder 0 oder 1) besitzt. Im Falle des NAND-Gatters ist der Ausgangszustand immer 1, es sei denn, beide Eingangszustände sind 1, in dem Fall wird der Ausgang zu 0 („Not AND“-Verknüpfung). Daher lassen sich Rechenoperationen mit logischen Gattern in Turing-Maschinen in der Regel nicht mehr umkehren, da Information verloren geht. Genauso lässt sich auch der Datenspeicher löschen.
Somit sind Entitäten in Turing-Maschinen, wie z. B. im Falle einer virtuellen Realität, anders geartet als solche in unserem physikalischen Universum. Oder haben Sie schon einmal erlebt, dass ein Gegenstand plötzlich aus dem Universum verschwindet, weil die Information über ihn gelöscht wurde?
Tatsächlich wissen wir heute, dass die Information, aus welcher unsere Realität besteht, prinzipiell nicht gelöscht werden kann. Ja, sie kann nicht einmal kopiert werden! Es handelt sich bei der Information über einen Gegenstand oder seine Elementarteilchen, aus denen dieser besteht, daher um eine andere Qualität als bei den Bits in einem klassischen Computer: Diese Qualität bezeichnen wir als Quanteninformation.
Die Erkenntnisse über die Quanteninformation seit Beginn des 21. Jahrhunderts sind bemerkenswert. Wir Menschen haben mittlerweile Technologien entwickelt, mit denen wir diese Quanteninformation gezielt manipulieren können: Diese fassen wir unter dem Begriff Quantentechnologie zusammen.
Ein Quantencomputer ist nun nichts anderes als eine Maschine zur kontrollierten Manipulation von Quanteninformation, mit dem Ziel, ein zuvor festgelegtes Programm, also einen Algorithmus, ablaufen zu lassen. Der Algorithmus dient dann der Abarbeitung einer Rechenaufgabe, welche im Sinne des Programms ein konkretes Problem löst, wofür dieses geschrieben wurde.
Daher unterscheidet sich der Zweck eines Quantencomputers durch nichts von dem einer Turing-Maschine. Warum werden dann sowohl von Tech-Giganten als auch Start-ups solch gigantische Anstrengungen unternommen, einen universell einsetzbaren Quantencomputer zu bauen?
Ohne nun wissen zu müssen, wie ein Quantencomputer im Detail funktioniert, ist eines bereits klar und eine weitere ungeheuerliche Erkenntnis des 21. Jahrhunderts: Unsere Realität ist offensichtlich nichts anderes als das Rechenergebnis eines gigantischen Quantencomputers, den wir Universum nennen.
Vor diesem Hintergrund können wir jetzt auch verstehen, dass bereits ein kleiner Teil des Universums, welchen wir technologisch kontrollieren können und als vom Menschen gebauter Quantencomputer verstehen, eine ungeheure Rechenleistung besitzen muss. Und mehr noch: Quanteninformatik muss die effizienteste Art sein, um ein physikalisches System zu berechnen. Gäbe es einen einfacheren Algorithmus, würde ihn unser Universum verwendet haben.
„Why do all my computer simulations of quantum physics take so long? Why can‘t we built native quantum computers?“
Richard Feynman
Daher ist der Bau eines universellen Quantencomputers so reizvoll: Wegen der schieren potenziellen Rechenleistung. Im Übrigen bezieht sich der Begriff „universell“ auf die Art der Quanten-Gatter, also der möglichen logischen Verknüpfungen von Quanteninformation. Diese soll in einer solchen Maschine prinzipiell unbegrenzt möglich sein, ganz so, wie auch Alan Turing formal bewiesen hat, dass sein Computer alle möglichen Algorithmen im Universum prinzipiell berechnen kann.
Aber halt: Das bedeutet doch, dass eine Turing-Maschine Quantenalgorithmen berechnen können muss. Das ist auch so! Aber wie der Physiknobelpreisträger für die Entwicklung der Quantenelektrodynamik, Richard Feynman, bereits Anfang der 1980er Jahre bemerkte: „Why do all my computer simulations of quantum physics take so long? Why can‘t we built native quantum computers?“ Soweit wir wissen, hat Feynman damit das erste Mal überhaupt den Begriff des Quantencomputers ausgesprochen.
Das bedeutet, dass Quantencomputer durch ihre andere Art zu rechnen auch potenziell drastisch leistungsfähiger sind, als unsere heutigen Computer. Daher werden mittlerweile jährlich Milliarden in diese verheißungsvolle Technologie gesteckt. Diese andere Art zu rechnen, zeichnet sich durch zwei spezifisch quantenmechanische Effekte aus, welche wir Superposition und Verschränkung nennen. Die Superposition erlaubt es einer Quantenmaschine, zwei oder mehrere Eingangszustände in einer einzigen Speicherzelle zu überlagern. Diese Speicherzellen nennen wir analog zu den herkömmlichen Computern Qubits (Quantenbits). Die Verschränkung wiederum lässt zwei oder mehr Quantenbits ein und dieselbe Quanteninformation teilen, ohne dabei in physischem Kontakt zueinander stehen zu müssen, egal wie weit sie auch voneinander räumlich entfernt sind.
Man kann sich aufgrund dieser beiden bemerkenswerten Eigenschaften der Qubits bereits annähernd vorstellen, dass dadurch die Rechengeschwindigkeit aufgrund der parallelen Informationsspeicherung wie auch -verarbeitung erheblich größer sein kann als bei den Turing-Maschinen.
Wo stehen wir heute?
Wenn Sie es wüssten, könnten Sie für diese Information von den großen IT-Konzernen jeden Preis bekommen! Derzeit laufen quasi Wetten, ob man die Qubits mit extrem tiefgekühlten (Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt) Festkörpern oder vielleicht doch besser mit im Vakuum isolierten in Magnetfeldern gefangenen Ionen (elektrisch geladene Atome) baut. Die erste Technologie hat sich bislang als schwer kontrollierbar und die zweite als ebenso schwer skalierbar erwiesen.
Was wir wissen ist, dass wir jedenfalls eine gut beherrschbare und hochintegrierbare Technologie für die Manipulation von Quanteninformation brauchen, um einen kommerziell erfolgreichen Quantencomputer bauen zu können, der für konkrete Anwendungen in der Industrie daher ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis aufweisen muss als unsere heutigen und auch zukünftigen Computer auf Basis konventioneller integrierter Schaltungen in Halbleitern.
Quanteninformatik muss die effizienteste Art sein um ein physikalisches System zu berechnen. Gäbe es einen einfacheren Algorithmus, würde ihn unser Universum verwendet haben.
Georg Gesek
Daher wissen wir auch, dass zwischen den heutigen Quanten-Chips und Ionenfallen, welche ein paar Dutzend Qubits mehr schlecht als recht kontrollieren lassen, und dem industriell auf breiter Skala eingesetzten Quantencomputer mindestens zwei technologische Meilensteine sitzen.
Bei Novarion errichten wir gerade ein Quanten-Elektronik-Labor in Wien, um diese vor uns befindlichen technologischen Herausforderungen bereits innerhalb der kommenden fünf Jahre zu meistern.
Kernaussagen
- Der Zweck eines Quantencomputers unterscheidet sich durch nichts von dem einer Turing-Maschine.
- Wir wissen, dass zwischen den heutigen Quanten-Chips sowie Ionenfallen und dem industriell einsetzbaren Quantencomputer mindestens zwei technologische Meilensteine sitzen.
- Es hat sich herausgestellt, dass der Quantencomputer bei weitem nicht bei allen Arten von Problemstellungen einen vorteilhafteren Rechenweg eröffnet.
Wie können sich Unternehmen auf die Quantenrevolution vorbereiten?
Es sei erwähnt, dass die Quantentechnologie nicht „bloß“ neue unglaublich schnelle Computersysteme für die fortschreitende Digitalisierung sowie künstliche Intelligenz hervorbringen wird, sondern ebenso gigantische Fortschritte z. B. in der Medizin oder der Telekommunikation mit sich bringen wird. Generell lässt sich feststellen, dass die Quantentechnologie alle Systeme, welche mit Information zu tun haben, und später auch jene, die mit Energiegewinnung oder –speicherung einhergehen, revolutionieren wird.
Daher empfehle ich jedem Unternehmen ab etwa € 100 Millionen Jahresumsatz, sich heute bereits mit Applikationen der Quantentechnologie in ihrem Kerngeschäft zu beschäftigen. Die ersten Unternehmen, welche in ihrem Bereich Quantentechnologie erfolgreich einsetzen, werden ihren Markt technologisch revolutionieren.
Was den Bereich der Informationstechnologie betrifft, so erinnern wir uns an Alan Turings eleganten Beweis, dass unsere heutigen Computer bereits Quantenalgorithmen berechnen können. Zwar benötigen diese dazu verhältnismäßig lange, wir können jedoch damit unsere Software, egal in welchem Bereich, bereits heute für die übernächste Generation der universellen Quantencomputer vorbereiten, um bei Verfügbarwerden derselben sofort den großen Wettbewerbsvorteil realisieren zu können, der in diesem gerade noch schlafenden Giganten steckt. Denn sein Erwachen kommt bestimmt.
Hybride universelle Quantencomputer
Den Begriff universell haben wir in Bezug auf alle Arten von Quantenalgorithmen bereits erklärt, was ist daher mit der Erweiterung „hybride“ gemeint? Es hat sich herausgestellt, dass der Quantencomputer bei weitem nicht bei allen Arten von Problemstellungen einen vorteilhafteren Rechenweg eröffnet. Tatsächlich brauchen wir z. B. um zwei Zahlen direkt zu multiplizieren keinen Quantencomputer. Diese Aufgabe ist derart trivial, dass uns die Quantenalgorithmen keinen Vorteil verschaffen. Wollen wir dagegen eine große Zahl in ihre Primfaktoren zerlegen, so skaliert eine Turing-Maschine die Anzahl der Rechenschritte immer mit der Eingabemenge (in dem Fall die Länge der Zahl) im Exponenten einer Funktion. Damit stößt man sehr rasch auf das sogenannte Computer-Unendlich, verlässt also die prinzipielle Berechenbarkeit des Problems nicht, wird das Ergebnis der Berechnung der Turing-Maschine aber keinesfalls erleben.
Daher sehe ich als praktikablen Ansatz die Entwicklung eines Computerchips, welcher gleichzeitig eine Turing- als auch eine Quantenmaschine in integrierten Schaltkreisen beinhaltet und damit einen hybriden universellen Quantencomputer on the chip darstellt.
Dieses Moonshot-Projekt befindet sich gerade in der Umsetzung. //
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