Rushhour künftig ohne Stop-and-go

Über das autonome Fahren geht das Thema dabei weit hinaus.

von Frank Zscheile

Schon 2008 stiegen die ersten Menschen in Nürnberg in eine fahrerlose U-Bahn, zuerst auf der U3, kurz darauf auch auf der U2. In Berlin wurde sogar bereits in den 80er-Jahren mit automatisiertem Fahren experimentiert. Ähnliche Versuche gibt es in jüngerer Vergangenheit auf der Straße. In Mainz werden erste Kleinbusse auf ausgewählten Strecken mittels Satellitentechnik navigiert, das DB-Tochterunternehmen ioki arbeitet in Frankfurt an Mobilitätskonzepten der Zukunft und hat selbstfahrende Kleinbusse in mehreren deutschen Kommunen in Betrieb.

Es ist vor allem der ständig steigende Verkehr in den Städten, den man mit autonomen Systemen und KI-Technologie regulieren kann, womit man zugleich die hohe Schadstoffbelastung reduziert. In Wuppertal zum Beispiel startet derzeit der Betrieb einer neuen KI-Software, die – bislang auf ausgesuchten Teststrecken – den Verkehr so steuert, dass es möglichst wenig Verkehrsstockungen gibt. Das Projekt ist Teil eines Green-City-Plans, zu dem auch Parkraumüberwachung und eine Park-App gehören. Das neue Leitsystem erfasst per Video, Radar und Bluetooth permanent die Verkehrssituation und regelt daraufhin selbstständig, wie lang Grünphasen dauern sollen. Anders als die bisherigen Festzeitprogramme reagiert das selbstlernende KI-System dynamisch auf eine sich verändernde Situation.

Solche Beispiele zeigen: KI im Verkehr ist weit mehr als das viel beschworene autonome Fahren. Dieses stellt vielmehr nur die öffentlichkeitswirksame Speerspitze eines Trends dar, der die Menschen auch ganz schnell wieder skeptisch werden lässt – wenn nämlich, wie im März 2018, ein solches Fahrzeug (hier ein Uber-Taxi) einen tödlichen Unfall verursacht. Künstliche Intelligenz umfasst also auch neuartige Sharing-Konzepte oder eben die intelligente Steuerung des Güter- und Personenverkehrs auf Straße und Schiene.

Inter- und multimodulare Systeme

Ein starker Verfechter dieses mehrdimensionalen Ansatzes ist der Nürnberger Verkehrsplaner Frank Jülich. Schon 2006 hat er in der Frankenmetropole ein Verkehrsleitsystem für das Umfeld von Messe und Stadion federführend entwickelt, welches derzeit noch ausgebaut wird. Statt kühner Visionen selbstfahrender Autos, die einen jederzeit komfortabel von A nach B bringen, bedürfe es demnach vielmehr inter- und multimodularer Systeme, die Mobilität jenseits des privaten Betriebs schaffen. So wird in Nürnberg derzeit ein auf den Nahverkehr abgestimmtes Fahrradleihsystem entwickelt, das digital via Handy und App funktioniert.

Für ein umfassendes Konzept hatte sich im Juni 2018 auch der Deutsche Städtetag ausgesprochen. In seinem Positionspapier „Nachhaltige städtische Mobilität für alle“ verabschiedete er eine Agenda für eine Verkehrswende aus kommunaler Sicht. Die Digitalisierung des Verkehrs im öffentlichen und individuellen Bereich müsse sich demnach auf effizientere Auslastung, Optimierung und Verknüpfung der bestehenden Verkehrssysteme konzentrieren und neue Verkehrsmodi integrieren. Dies schließe auch die Information und Kommunikation zwischen Anbietern und Nutzenden, Systemen und Angeboten ein. Autonomes Fahren sei bevorzugt im öffentlichen Verkehr zu entwickeln.

Vor kurzem hat die niederländische Polizei übrigens einen Blitzer vorgestellt, der mithilfe künstlicher Intelligenz Smartphone-Nutzer / innen identifizieren kann. Was reflexhaft auf Widerstand stoßen dürfte, hält die Deutschen trotzdem nicht davon ab, aufgeschlossen gegenüber KI im Verkehr zu sein. In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage unter 1 006 Bundesbürgern ab 14 Jahren fand der Digitalverband Bitkom im November 2017 heraus: 8 von 10 Befragten (83 Prozent) sind sicher, dass KI die Verkehrssteuerung verbessern und optimale Routen finden kann. So hoffen die Befragten auf bessere Stauumfahrung und dass mittels KI-Technologien vor Gefahren rechtzeitig und besser gewarnt werden kann. //

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