Geschichte der KI
Als Vorläufer der KI kann der Turing-Test von 1950 angesehen werden, benannt nach dem englischen Mathematiker Alan Turing. Zur Beantwortung der Frage, ob eine Maschine denken kann, erfand er ein „Imitationsspiel“, bei dem eine Versuchsperson mit einem anderen Menschen oder einer Maschine kommuniziert, die er aber nicht erkennen kann. Die Aufgabe der Versuchsperson besteht darin, anhand selbst formulierter Fragen zu erkennen, wer der Mensch und wer die Maschine ist. Turing formulierte als Bedingung für einen bestandenen Test eine Rate von 30 Prozent fehlerhafter Antworten, so wenn die Versuchsperson die Maschine für einen Menschen hielt.
Bis Ende des 20. Jahrhunderts, glaubte der Mathematiker, werde man von „denkenden Maschinen“ sprechen.(13) Die eigentliche Geschichte der KI begann mit der Dartmouth-Konferenz 1956. Zuvor hatte der damals 28-jährige John McCarthy zusammen mit seinen Mitstreitern Marvin Minsky (Harvard), Nathan Rochester (IBM) und Claude Shannon (Bell Telephone Laboratories) bei der Rockefeller Foundation einen Antrag eingereicht. In dem Förderantrag des ehrgeizigen Projekts der Forscher hieß es, es solle der Versuch unternommen werden, „herauszufinden, wie Maschinen dazu gebraucht werden können, Sprache zu benutzen, Abstraktionen vorzunehmen und Konzepte zu entwickeln, Probleme von der Art, die zurzeit dem Menschen vorbehalten sind, zu lösen und sich selbst weiter zu entwickeln“.(14)
Dieses Projekt bezeichnete McCarthy als „Artificial Intelligence“ (AI). McCarthy und wohl auch viele seiner Mitstreiter waren davon überzeugt, dass KI imstande sei, viele oder sogar alle kognitiven Funktionen des Menschen zu simulieren. (Die Betonung liegt auch hier auf der Simulation.) Einschränkungen sah er vor allem bei der Geschwindigkeit und Speicherkapazität damaliger Computer. Aber der eigentliche Mangel sei kein Kapazitätsproblem, sondern „unsere Unfähigkeit, Programme zu schreiben, die unsere Erkenntnisse voll nutzen“.(15)
Das Echo auf die Dartmouth-Konferenz und auf den – umstrittenen – Begriff der „Artificial Intelligence“ war enorm und beschleunigte die Entwicklung von Technologien, die sich vor allem mit spielerischen Problemstellungen befassten, so etwa des Dame-Computerspiels von Arthur Samuel von 1959. Mitte der 1960er-Jahre interessierte sich das amerikanische Pentagon zunehmend für den Einsatz von KI im militärischen Bereich und finanzierte Einrichtungen wie das MIT, die Stanford University und die Carnegie Mellon University: Stanley Kubricks Antikriegsfilm „Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb“ aus dem Jahr 1964 persifliert den Horror von KI-Systemen, als ein solches System gegen die Russen eingesetzt wird, das automatisch einen massiven Vergeltungsschlag gegen die sowjetischen Raketenstellungen einleitet, ohne dass menschliche Entscheidungen daran etwas ändern können.
Diese Jahre waren aber vorwiegend durch einen großen Optimismus gekennzeichnet, die Ergebnisse trotz Fortschritten bei der visuellen Erfassung, Kartierung, Planung und Fehlerbeseitigung aber dennoch überschaubar. Auch die „erste elektronische Person“ – ein Roboter namens Shakey aus dem Jahr 1970 – „arbeitete“ in der sehr kontrollierten Umgebung des Stanford Research Institute (SRI), konnte aber Hindernisse auf seinem Weg erkennen und nach einer „Gedankenpause“ umgehen.
McCarthy und wohl auch viele seiner Mitstreiter waren davon überzeugt, dass KI imstande sei, viele oder sogar alle kognitiven Funktionen des Menschen zu simulieren.
In den 1970er-Jahren nahm die KI weiter an Fahrt auf und breitete sich in viele Forschungsbereiche aus, u. a. in Dialogsysteme, maschinelles Übersetzen, das Machine Learning und Expertensysteme.(16) Die entwickelten Dialogsysteme, so ein Programm des Wissenschaftlers Terry Winograd vom MIT namens SHRDLU, verlangten ein einfaches Englisch, zeigten aber die Möglichkeiten von Dialogsystemen auf und verstärkten die Hoffnungen, mit KI-Systemen „auf Augenhöhe“ zu kommunizieren.
Zu den Durchbrüchen in den 1990er-Jahren zählt das Schachprogramm Deep Blue, das den damaligen Weltmeister Kasparow in sechs Partien besiegte. Verstärkt wandten sich die Forscher der Lenkung von Fahrzeugen ohne menschliches Zutun zu: Eine vorwiegend militärisch genutzte Technik namens Lidar (Light / Laser Detection and Ranging) erlaubte die Kartenerstellung und Zielerfassung, doch versagte bei der Auswertung der Daten und Ergebnisse (etwa bei der Umrechnung von Menschen, Autos oder Bäumen) als Hindernisse. Mittels einer „Grand Challenge“ sollten 2004, 2005 und 2007 auf Strecken durch ein raues Gelände, die Mojave-Wüste, sowie durch einen 100 Kilometer langen Straßenparcours mit Ampeln, Straßenschildern und kreuzendem Verkehr die entsprechenden Fähigkeiten von Fahrzeugen verschiedener Entwicklungsteams getestet werden.
Waren die Ergebnisse 2004 noch unbefriedigend – keiner der Teilnehmer schaffte die Strecke durch die Wüste –, so waren die Ergebnisse 2005 – drei Teams bewältigten die Aufgabe – und 2007 schon deutlich besser. Seitdem ist die Technik weiterentwickelt worden und wird in Teilbereichen bei der Automobilherstellung verwendet. Es bleiben aber Haftungsfragen ebenso wie ethische Probleme. 2004 gewann das eingangs bereits erwähnte KI-System Watson in der Quizsendung Jeopardy! gegen die Quizchampions Kenn Jennings und Brad Rutter. Das Expertensystem griff dabei auf eine Datenbank mit 200 Millionen Seiten voller Fakten und Zahlen zu, u. a. auch auf den Volltext von Wikipedia. Dazu benötigte es vier Terabyte an Speicher. Das von IBM entwickelte KI-System soll die Möglichkeiten von Expertensystemen aufzeigen, die IBM vor allem für weitere kommerzielle, wissenschaftliche und behördliche Applikationen einsetzen will.(17)
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Quellen
13.) 2014 wurde anlässlich des 60. Todestages Turings ein erneuter Test durchgeführt, dieses Mal mit einem Programm namens „Eugene Goostman“, bei dem ein Drittel der Juroren überzeugt wurden, sie hätten es mit einer menschlichen Person, einem 13-jährigen, schlecht Englisch sprechenden Ukrainer zu tun. S. M. Lenzen, S. 26
14.) Vgl. M. Lenzen, S. 22
15.) Vgl. J. Kaplan, S. 29
16.) Vgl. F. Raschke, S. 13
17.) Vgl. J. Kaplan, S. 61-62